Interview: Von den Anfängen und der Philosophie
Interview. Das Online-Magazin “Soaping News” stellt kleine Seifenmanufakturen aus aller Welt vor und publiziert seine Interviews in verschiedenen Sprachen. Im Gespräch mit der Chefin Eva Gomez erzähle ich von den Anfängen der Manufaktur und dem, was mich an meiner Arbeit fasziniert.
Interview mit Wolfgang Frey von der Heiligkreuzer Seifenmanufaktur
Interviewerin: Eva Gomez
Wolfang Frey ist Gründer und Inhaber der Heiligkreuzer Seifenmanufaktur im Schweizer Seeztal. Er rührt seine Seifen ausschließlich kalt und verzichtet dabei sowohl auf Palmöl als auch auf künstliche Farben oder Düfte. Der Verzicht auf Künstliches erstreckt sich auch auf die Verpackungen und den Versand der Seifen; alles wird plastikfrei verpackt und verschickt. Wir freuen uns sehr, Wolfgang bei uns begrüßen zu dürfen.
Wolfgang, wann hast Du angefangen, Deine Seifen selber zu sieden?
Das war Anfang 2015, als ich mich beim Brennholzhacken am Fuß verletzt hatte und einige Tage flach lag. Da kam ich endlich einmal dazu, das Seifenbuch von Claudia Kasper zu lesen (“Naturseife, das reine Vergnügen. Die Herstellung feiner Pflanzenseifen in der eigenen Küche”). Den Gedanken, Seifen zu rühren, hatte ich über die Jahre immer wieder mal, aber es hatte sich nie ergeben, mich mal tatsächlich damit zu befassen. Dann kam diese ungeplante Gelegenheit – und ich konnte dann zum Glück auch bald wieder laufen und die ersten Rezepturen ausprobieren.
Macht das Seife sieden süchtig?
Das weiss ich nicht, da ich die Seife ja kalt rühre und nicht „siede“, wie man das früher einmal gemacht hat (lacht). Aber, Spass beiseite, ich denke, die Idee von „süchtig“ meint ja vor allem, dass man sich für etwas begeistern kann, dass einen etwas fasziniert und man es deshalb immer wieder gerne macht. In diesem Sinn erstreckt sich meine Begeisterung eigentlich auf alles, was die Seifenmanufaktur umfasst – und das unter der Überschrift „natürlich“, denn das ist das Ziel: Aus Naturprodukten Seife zu rühren und sie so zu verpacken und zu verschicken, dass das Päckchen am Ende kein Fall fürs heimische Müllsortierzimmer wird, sondern dass alles rund um die Seife entweder wiederverwendbar oder kompostierbar ist.
Das bedeutet zum Beispiel auch, keine selbstklebenden Etiketten zu verwenden, die aus kunststoffbeschichtetem Papier bestehen oder statt Plastikpackband Nassklebebänder für Pakete zu nehmen, die es im Einzelhandel gar nicht mehr gibt und von denen ich immer gleich 1,2 Kilometer beim Großhändler bestellen muss. Es sind all diese Details, die das Produkt am Ende glaubwürdig und stimmig machen. Diese Kompromisslosigkeit schätzen meine Kundinnen und Kunden sehr und daran zu arbeiten, ist immer wieder spannend.
Was die Seifen selbst betrifft: Da besteht die Herausforderung darin, allein mit natürlichen Zutaten – also auch mit der Begrenztheit der Farbpalette von Naturfarben – auch immer wieder mal besonders hübsche Exemplare herzustellen. Da geht es mir dann wie vielen anderen auch: Wenn ich besonders schöne Formen oder Stempel sehe, dann will ich die unbedingt haben und ausprobieren.
Warum verwendest Du kein Palmöl?
Weil der Anbau von Palmöl Raubbau an unserem Planeten bedeutet. Bis eine Babassu-Palme die ersten Früchte produziert, dauert es mindestens 15 Jahre, bis sie voll trägt rund 25. Deshalb gibt es praktisch keine Babassu-Plantagen, sondern die Sammlung in natürlichen Beständen. Eine Kokospalme trägt die ersten Früchte nach sechs bis acht Jahren und bis zum vollen Ertrag dauert es zehn bis 15 Jahre. Das ist schon etwas lohnenswerter für das Anlegen von Plantagen, aber noch lange nicht so lukrativ wie bei der Ölpalme.
Wenn wir von den drei Schaumfetten für Seifen sprechen, ist die Ölpalme die am schnellsten wachsende. Sie trägt bereits im dritten oder im vierten Jahr die ersten Früchte und erreicht die Phase des vollen Ertrags schneller als jede andere dieser Palmensorten. Das macht sie so lukrativ für den raschen Profit: Regenwälder werden für sie in großem Stil abgeholzt, die Ureinwohner vertrieben und dann Monokulturen angelegt, die oft noch mit hohem Einsatz von Pestiziden bewirtschaftet werden. Im Gegensatz zu den beiden anderen Palmen tragen die Ölpalmen auch nur rund zehn Jahre lang die größte Menge an Früchten, das heisst, die Plantagen müssen auch immer wieder neu angelegt werden. Es ist alles ein Milliardengeschäft auf dem Rücken unseres Planeten und unserer Zukunft.
Ja, alle exotischen Öle und Fette, die wir aus Übersee importieren und für Pflanzenölseifen verwenden, sind auf die eine oder andere Art und Weise problematisch, beim Palmöl ist das Problem des Raubbaus aus meiner Sicht aber am größten. Ich habe es nie verwendet und es hat mir nie gefehlt. Es braucht für eine gute Seife schlicht kein Palmöl.
Verwendest Du tierische Fette für die Seifenherstellung?
Nein, auf den Gedanken bin ich nie gekommen. Ich glaube, das würde mir schon im Topf widerstreben. Nicht, weil ich Veganer wäre oder so, es passt für mich einfach nicht. Ich verwende nur Pflanzenöle. Von Tieren verwende ich ab und zu Kuh-, Geißen- oder Schafmilch und selten Honig, aber nichts von toten Tieren.
Welche Farben verwendest Du für die Seifenherstellung? Kannst Du uns ein paar Beispiele nennen?
Oft verwende ich naturbelassene Tonerden, grüne, rote, orangene – keine blaue, denn die ist künstlich gefärbt und insofern ein Etikettenschwindel. Sehr gerne nehme ich für eine grüne Farbe auch Brennessel- oder Spinatpulver. Spannend finde ich immer wieder Indikatorfarben wie Kurkuma oder echten Indigo, die sich mit dem Sinken des pH-Werts teils erstaunlich deutlich verändern, bei denen sich der Farbton aber dennoch schon vorher einigermaßen festlegen lässt. Für ein Kunstprojekt habe ich einmal Seifenblöcke mit Alkanna gemacht – sie sollten violett werden – das war allerdings recht nervenaufreibend und hat ziemlich viele Versuche erfordert, bis der Farbton gestimmt hat. Für so etwas fehlt mir dann doch eher die Geduld. Insgesamt finde ich das Farbspektrum der Naturfarben breit und völlig ausreichend. Die meist pastelligen Farben passen sehr gut zu meinen Seifen und meiner Philosophie.
Lässt Selbständigkeit Platz für Kreativität? Kannst du dich auch mit deinen zusammengestellten Rezepten kreativ austoben?
Da inzwischen auch in der Schweiz die gleichen Regeln wie in der Europäischen Union gelten was aufwändige und kostspielige Sicherheitsbewertungen für jede Rezeptur angeht, ist man natürlich schon etwas beschränkter als noch vor ein paar Jahren, als man neue Rezeptideen gleich umsetzen konnte. Ich bin seither dann eher kreativ was neue Formen, Stempel oder auch Geschenkverpackungen angeht, zuletzt zum Beispiel das „Heiligkreuzer Seifenkästchen“. Das ist eine kleine Holzbox, in der auf Holzwolle zwei Seifen Platz haben, auf den Deckel brenne ich das Logo mit einem Brennstempel ein. Das ist zwar ziemlich aufwändig, sowas in Kleinserie herzustellen, aber auch wenn es einige lange Winterabende dauert, es ist dann doch schön, so etwas anbieten zu können, was es nirgendwo anders gibt. Ein anderes Beispiel sind Ideen für die Verwendung von Seifenflocken. Zuhause gibt es dafür nun schon etwas länger den „Heiligkreuzer Seifenflockenstreuer“, für unterwegs die „Heiligkreuzer Seifenflockendose“. Beide erlauben es, immer frische und zuvor unberührte Seifenflocken zum Händewaschen zu verwenden. Sich so etwas auszudenken und dann praxistauglich umzusetzen, sodass es die Menschen (nicht nur in Pandemiezeiten) gerne verwenden, macht immer wieder Freude.
Welches ist Dein am meisten verkauftes Produkt?
Ich führe tatsächlich keine Statistik. Da es von den insgesamt 46 Sorten nie immer alle gleichzeitig gibt – so viel könnte ich gar nicht rühren – ist das auch schwer zu sagen. Große Favoriten sind allerdings alle Haarseifen, die Salzseifen fürs Gesicht und die Sonnenblumen- und die Ringelblumenseife. Daneben gibt es immer wieder auch Kunden und Kundinnen, die eine Lieblingssorte haben und davon dann gleich zehn Stück bestellen, bevor es sie mal ein halbes Jahr mal wieder nicht gibt.
Verkaufst Du noch andere Produkte außer Seifen?
Ja, solche, die sich sehr eng an die Seifen und ihre Verwendung anlehnen. Rund um das Thema Putzen und Geschirrspülen mit Seife gibt es zum Beispiel Naturschwämme, Putz- und Handtücher aus ungefärbtem Naturleinen und Bürsten. Die Idee dabei war, für Menschen, die tatsächlich weg wollen von Plastik und Flüssigprodukten, eine Alternative aus einer Hand anzubieten. Daneben verkaufe ich Seifenschalen und Magnetseifenhalter aus Buchenholz oder kompostierbare Seifendosen aus Flüssigholz.
Hast Du durch die Corona-Krise Verluste im Jahr 2020 erleben müssen?
Nein, nicht, was den Verkauf von Seifen angeht, die Nachfrage übersteigt nach wie vor meine Möglichkeiten. Der tatsächliche Verlust besteht in der anhaltenden Unsicherheit. Das reicht von der Rohstoffversorgung, die angesichts geschlossener Grenzen in Teilen der Welt teils schwierig war, bis zur Unmöglichkeit, noch irgendetwas zu planen, was über ein paar Wochen oder Monate hinausreicht. Und persönlich ist die Pandemie vor allem extrem kräftezehrend. Entsprechend produziere ich in diesem Jahr auch weniger als vorher.
Du verwaltest auch eine Facebook-Gruppe: „Seife. Echt und natürlich. Für Fans und Selbermacher.“ Warum hast Du diese Gruppe gegründet?
Weil es damals keine Gruppe gab, die ausschließlich auf natürliche Farben und Düfte und den Verzicht auf Palmöl setzt. Die Idee war, allen daran Interessierten ein Forum zu bieten, das zeigt, was auch ohne all das möglich ist – und das ist ziemlich viel. Besonders was die Farben angeht, haben die Mitglieder über die Jahre viele Versuche angestellt und beeindruckende Ergebnisse gezeigt, von denen ich auch selbst immer wieder etwas Neues lernen konnte.
Nur mit Naturprodukten zu arbeiten, das zeigt auch diese Gruppe, ist keine Beschränkung. Es ist eine Bereicherung, bei der Verwendung von natürlichen Erden, Pflanzenfarben oder Blumendüften zu erleben, wie reichhaltig und vielfältig die Natur ist. Sie ist ein Geschenk und wir sollten je länger je mehr endlich ernsthaft anfangen, sie nachhaltig zu schützen und zu erhalten – sie ist schließlich auch unsere Lebensgrundlage. Wir haben genau einen Planeten.
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